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Ein Ostermärchen gratis für Euch

Der Osterhase, der keiner sein wollte

Vor langer Zeit, da lebte in einem Wald ein Hase, der Ostern nicht mochte. Er war der einzige Hase im Hasendorf der das Fest um die bunten Eier verabscheute, und sich jedes Jahr zur Osterzeit in seinem Hasenbau versteckte, um dem Bemalen der Eier zu entgehen.       
Eines Tages trug es sich zu, dass ein starker Regen übers Hasendorf zog und alle bunt bemalten Eier wieder weiß wusch. „Ausgerechnet zwei Tage vorm Osterfest“, jammerten die Hasen und ließen verzweifelt ihre Ohren hängen. Die Arbeit von vielen Wochen war zerstört und mit dem Regen weggewaschen.      
„Oje, Ostern wird ausfallen“, weinte eine der Häsinnen, die die Körbe zum Austragen der bunten Eier geflochten hatte. Dicke Tränen kullerten über ihr pelziges Gesicht. „Was sollen wir denn jetzt nur tun?“  Aber keiner der Osterhasen hatte eine Antwort darauf.       
„Was ihr nur jammert!“, rief einer von Ferne. Es war der Hase, der Ostern nicht mochte. Verärgert äugte er aus seinem Bau, geweckt vom lauten Gejammer. „Ohne bunt gemalte Eier, ist Ostern kein richtiges Ostern, und die Kinderlein auf der Welt werden traurig sein“, riefen die Osterhasen. „Was ist denn schon so besonderes an bunten Eiern? Lasst sie doch einfach weiß.“ „Aber das geht nicht“, riefen die Osterhasen. „Wie sollen die Menschen die rohen Eier von den Ostereiern unterscheiden können, wenn sie nicht bunt sind? Und wie sollen die Kinderlein sie auf den Wiesen und hinter Sträuchern versteckt finden? Der griesgrämige Hase kratzte sich am Kopf. „Hm, ihr bemalt die Eier nur, um sie zu kennzeichnen?“
„Nicht nur“, riefen die Osterhasen. „Wir malen sie in verschiedenen Farben an, die allesamt eine wichtige Bedeutung haben. Und auch die Muster und Bilder auf den Ostereiern sind von großem symbolischen Wert für die Menschen. Sie stehen für Hoffnung, Natur, Lebensfreude, die Sonne, das Licht, aber auch für Pflanzen, Tiere, Wasser, das Leben und die Gesundheit.“ „Soso“, stammelte der Hase erstaunt und hüpfte aus seinem Bau. Es war das erste Mal, dass seine Hasenfüße den Bau verließen, noch ehe die Ostervorbereitungen abgeschlossen- und alle Körbe mit bunten Eiern ausgeliefert waren. „Das heißt, jeder Punkt und jede Welle sind wichtige Symbole?“ „Aber ja doch“, riefen die Osterhasen. „Und nur die lieben Kinder werden von uns damit beschenkt.“ „So ähnlich wie Weihnachten, nur ohne Tannenbaum und Christkind?“, fragte er interessiert und klopfte dreimal gegen seine Hasenohren vor Erstaunen. Über die Symbolik des Festes hatte er noch nie nachgedacht. Und auch noch nie darüber, welch wichtige Aufgabe ein jeder Hase im Dorf doch eigentlich hatte.  „Ja, so ähnlich, nur dass wir die bunten Eier nicht in große Geschenkkartons verpacken und mit Rentieren durch die Lüfte befördern müssen“, erwiderte die Häsin und wischte sich eine übergroße Träne ab, die mitten auf ihre Nase gerollt war.  „Hast du denn eine Idee, wie wir Ostern retten können?“, fragte ein halbwüchsiges Häschen mit traurigem Blick.  Der Hase, der kein Osterhase sein wollte, fuhr sich grübelnd über die Stirn, setzte seine Brille ab und zog die Augenbrauen hoch.  „Ich glaube ja“, rief er. „Wir könnten alle Eier in eine lange Reihe legen und sie im vorbeirennen bemalen. So könnten wir alle Ostereier bis übermorgen bunt bemalt haben.“ „In einer langen Reihe?“, fragten die Osterhasen des Dorfes. „Aber wie willst du sie in eine Reihe legen, ohne dass sie wegrollen?“  „Lasst das mal meine Sorge sein“, sagte er und verschwand im Wald. Die Osterhasen blickten ihm nach und tuschelten miteinander. Aber niemand vermochte die Idee des griesgrämigen Hasen zu erraten. 

Kurze Zeit später kam er zurück, und mit ihm einige Tiere des Waldes. Zwei Rehe zogen einen dicken Baumstamm, vier Wildschweine brachten zwei weitere. Biber, Spechte und Eichhörnchen begannen die dicken Stämme in Form einer Rinne abzunagen, bis kein einziger Stamm mehr rund war.       
„Versteht ihr jetzt, was ich meine?“, rief der Hase seinem Hasenvolk zu.  Ein Raunen ging durch die Runde. „Ah, du hast eine Ostereier-bemal-Baumstammrinne erfunden, damit die Eier nicht wegrollen, wenn wir sie bunt färben“, freuten sich die Osterhasen. Und auch über das traurige Gesicht der Häsin huschte plötzlich ein Lächeln. „Du bist ein wahrer Osterhase, kreativ und erfinderisch“, sagte sie und klatschte erfreut in ihre Hasenpfoten.  Der grummelige Hase spürte, wie ihm die Röte ins Fell schoss, wo er doch eigentlich Ostern gar nicht mochte. Jedenfalls früher nicht. Denn heute hatte er etwas Wichtiges gelernt: Ostern bedeutet nicht nur Eier bunt zu malen, sondern viel mehr. Das Osterfest ist Frühjahrsbote, die Auferstehung Jesu und die wundervolle Tradition, verzierte Eier als Freundschafts- und Liebesgabe zu verschenken, je nach Religion. Und die Farben versinnbildlichen die Bedeutung eines jeden Eies.        
„An die Arbeit, ihr Osterhasen“, rief der Hase, der jetzt gerne einer von ihnen war. „Rauf auf die Holzräder, die Pinsel in Farbe getunkt und entlang der Ostereierrinne gefahren. Wenn jeder von uns ordentlich in die Pedale tritt, dann können wir es schaffen und Ostern retten.“
„Hui, macht das Spaß“, jubelte der halbwüchsige Osterhase, während er die Punkte im Vorbeifahren auf die Eier setzte.  Und so machte sich das ganze Hasenvolk an die Arbeit, bis spät in die Nacht des übernächsten Tages und rettete das Osterfest. Nach getaner Arbeit luden sie die hilfsbereiten Tiere des Waldes ein, mit ihnen das schönste aller Feste gemeinsam zu feiern. Sie teilten die übriggebliebenen bunten Eier unter sich auf, tanzten und sangen dabei fröhliche Lieder, während der Specht dazu  gegen einen Baum hämmernd den Takt vorgab. Alle waren glücklich. Aber am allerglücklichsten war der Hase, der Ostern nie gemocht hatte. Und noch heute erzählt man sich im Hasendorf die Geschichte vom Osterhasen, der keiner sein wollte. @Emma Bieling

@CCBieling-Design

Die Wiedergabe des Textes, auch nur teilweise, erfordert das Einverständnis des Autors.

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